Dank der Kanthers, Schilys, Schäubles, Wolfs und Stegners kommt ein Liberaler wieder ganz groß raus, der eigentlich schon völlig in der Versenkung verschwunden war: Gerhard Baum, ehemaliger Bundesinnenminister (1978-1982) wird, neben wenigen Anderen, immer mehr zum wahrgenommenen rechtstaatlichen Gewissen der FDP. Heute findet sich ein überaus lesenswertes Interview mit Baum auf tagesschau.de. Im folgenden ein paar Auszüge, die ich erwähnenswert finde.
Über die Folgen der RAF:
Der Ausnahmezustand […] ist seitdem zur Regel geworden. Wir haben eine Umkehrung der Beweislast. Und wir haben seit 30 Jahren eine unvergleichliche, in der Geschichte der Bundesrepublik vorher nicht gekannte polizeiliche Aufrüstung in unterschiedlichen Schüben erlebt.
Über die Rolle des Bundesverfassungsgerichts:
Es gibt in den letzten Monaten etwa zehn Urteile des Bundesverfassungsgerichts gegen Gesetze der Länder und des Bundes wegen Verstoßes gegen die Grundrechte. […] Das Bundesverfassungsgericht sieht sich gezwungen, dem Gesetzgeber kontinuierlich in die Arme zu fallen. Diese Entwicklung ist Besorgnis erregend.
Über Angst und den Präventivstaat:
Man muss vor allem der Angst widerstehen. Mit der Angst wird Politik gemacht. […] Der Präventivstaat, der zunächst einmal jeden in irgendeiner Weise für verdächtig ansieht, bevor nicht das Gegenteil bewiesen ist, der ist heute Aktualität. Den haben wir.
Über den Bundeswehreinsatz im Innern:
Dem gegenüber steht die Tendenz, die Bundeswehr noch stärker einzubeziehen und durch einen Quasi-Verteidigungsfall die Kategorien eines Feindstrafrechts ins deutsche Recht einzuführen. Auf diese Weise will Schäuble das Verbot des Abschusses von Zivilflugzeugen umgehen. Wer so agiert, zweifelt an den Werten und auch an der Überlegenheit des Rechtsstaats.
Über Grundrechte:
Der Staat hat das Gewaltmonopol. Ich möchte aber auch gegen mögliche Übergriffe des Staates in meine Privatheit geschützt werden. Man lese nur den letzten Bericht des Bundesbeauftragten für den Datenschutz, dann sieht man, wie weit dieser Schutz bereits durchlöchert ist. Aber es gibt kein Grundrecht auf Sicherheit. Sicherheitsmaßnahmen müssen immer gemessen werden an den Grundrechten, dem Artikel 1, dem Schutz der Menschenwürde.
Ich habe selten auf so wenigen Zeilen eines Interviews komprimiert so viel Sinnvolles gelesen.