Mrz 182008
 

Gestern hat er mir geschrieben, ganz persönlich, unser großer Vorsitzender Guido Westerwelle. Sagt er. Glaube ich ihm auch. Bestimmt hat er dabei gedacht, der Fink aus Eckernförde, das ist ein ganz wichtiger. Und wenn ich dem schreibe, dann muss das auch als Pressemitteilung raus. Und, was schreibt er so, der Chef vons Ganze?

Liebe Parteifreundinnen, liebe Parteifreunde,

heute wende ich mich mit diesem persönlichen Brief direkt an Sie als Funktionsträger der FDP:

Ich bin immer noch ganz gerührt. Ein Brief, persönlich, an mich. Wo ich doch sonst kaum Post bekomme.

1.
Die vier Wahlen zu Jahresbeginn haben für uns Freie Demokraten drei Erfolge und eine Enttäuschung gebracht. In Hamburg haben wir zwar erheblich an Stimmen gewonnen, aber unterm Strich doch die Wahl verloren. Es ist zwar erfreulich, dass wir in Hamburg zum ersten Mal seit langer Zeit wieder in allen sieben Bezirksparlamenten kommunalpolitisch vertreten sind, aber unser Ziel des Einzugs in die Bürgerschaft haben wir eben knapp verpasst. Es ist übrigens seit 2004 das erste Mal, dass wir es bei einer Landtagswahl nicht ins Parlament geschafft haben.

In Niedersachsen kann die FDP unter der Führung von Philipp Rösler mit dem besten Ergebnis seit 45 Jahren die erfolgreiche Regierungsarbeit mit der Union fortsetzen. In Hessen erreichten wir Liberale das beste Ergebnis seit 38 Jahren. Die hessischen Freien Demokraten stehen zu dem, was sie vor der Wahl gesagt haben. Das ist abermals ein Beweis für die Glaubwürdigkeit der Freien Demokraten. Den Kurs von Jörg-Uwe Hahn und seinem Team haben Präsidium und Bundesvorstand einstimmig unterstützt.

Wir gratulieren zudem den bayerischen Freien Demokraten zu dem besten Kommunalwahlergebnis seit 1948. Das motiviert die ganze FDP für den Wahlkampf zur Landtagswahl am 28. September 2008. Aufbauend auf diesem Kommunalwahlergebnis haben wir beste Chancen nach 14 Jahren endlich wieder mit einer starken Fraktion im bayerischen Landtag liberale Politik machen zu können.

Gut, was haben wir gelernt? Hamburg hat gezeigt, dass die Themen Hunde und Rauchverbot für eine Bürgerschafts- aka Landtagswahl nicht ausreichen und dass peinliche Werbespots den Einzug in ein Parlament selbst in Gegenden mit bürgerlicher Tradition verhageln können.

Glückwunsch nach Niedersachsen.

Für Hessen gilt, dass man in der Tat gut daran tut, nach der Wahl zu tun, was man vor der Wahl gesagt hat. Wenn alle Parteien jetzt noch vor dem, was man vor der Wahl sagen möchte, darüber nachzudenken, was die Folgen dieses Gesagten sein könnten, dann wäre es allerdings noch besser. Hätten das alle Beteiligten beherzigt, hätten wir vermutlich bereits eine Regierung in Wiesbaden. Vermutlich allerdings wohl eine Rot-Rot-Grüne…

2.
Wir alle sehen gleichzeitig die veränderte Lage in einem Fünfparteiensystem, auf die wir uns einstellen müssen. Klare Verhältnisse mit einer bürgerlichen Mehrheit wären das Beste für unser Land. Die inhaltlichen Gemeinsamkeiten mit der Union sind derzeit immer noch am größten. Allerdings kann nicht übersehen werden, dass sich CDU/ CSU in der Koalition mit der SPD immer mehr vom Projekt „Erneuerung der sozialen Marktwirtschaft“ verabschieden. Als Beispiele seien nur genannt: Die Planwirtschaft im Gesundheitswesen, die staatliche Lohnfestsetzung und die größte Steuer- und Abgabenerhöhung in der Geschichte unserer Republik.

Wir Freien Demokraten können uns nur auf eins verlassen: Auf uns selbst, auf unser freiheitliches Programm, das sich von allen anderen Parteien unterscheidet. Unser eigenes liberales Programm ist eine Alternative zu allen anderen Parteien. Alle anderen Parteien vertrauen zuerst dem Staat und erst dann dem Bürger. Wir vertrauen zuerst dem Bürger und erst dann dem Staat. Der Staat soll nicht alles regeln, sondern faire Rahmenbedingungen für die freie Gesellschaft garantieren. Wir werden also den Kurs dieser Eigenständigkeit konsequent fortsetzen, und zwar ausdrücklich gegenüber allen anderen Parteien.

Wir können gleichzeitig nicht ausschließen, dass es auch bei weiteren Wahlen in einem Fünfparteiensystem nicht für bürgerliche Mehrheiten reicht. So reicht es in Hessen beispielsweise nicht trotz des guten Wahlergebnisses der FDP, weil die Union wegen ihrer Landespolitik und der Wahlkampfführung abgestürzt ist. In Hamburg hat zwar die FDP eine Koalitionsaussage zugunsten der Union gemacht, gleichzeitig hat aber die Union von Anfang an auf ein Bündnis mit den Grünen gesetzt. In Niedersachsen dagegen haben Union und FDP gemeinsam gezeigt, dass man mit einer klaren Haltung und guter Politik auch klare Mehrheiten erringen kann.

Wir sind zuerst eine eigenständige Partei und erst in zweiter Linie Koalitionspartner von irgendjemandem. Koalitionsaussagen sind hilfreich für die Orientierung der Wählerinnen und Wähler. Für Ausschlussklauseln aber – außer gegenüber links und rechts außen – sehen wir in Zukunft keine Notwendigkeit. Wir wollen nicht zulassen, dass wir uns durch Ausschlussklauseln so einengen, dass dort, wo klare Mehrheiten nicht zustande kommen, plötzlich die Linkspartei der bestimmende Faktor einer Regierungsbildung wird. Deutschland ist immer gut damit gefahren, wenn es von der Mitte und nicht von den Rändern aus regiert und geprägt wurde.

Ich weiß gar nicht, was an dieser Erkenntnis neu sein soll. Den Begriff rot- und schwarzlackierte Sozialdemokraten verwenden wir in Schleswig-Holstein schon seit Ewigkeiten. Mir persönlich war schon immer schnuppe, mit wem wir zusammenarbeiten, wenn wir nur möglichst viel von dem, was wir uns vorgenommen haben, umsetzen können. Freut mich, dass diese pragmatischen Einstellung jetzt auch in Berlin in der Profi-Politik Einzug hält. Hätte meiner Meinung nach allerdings durchaus früher passieren können.

3.
Wirtschaftsstudien zeigen, dass die Mittelschicht in Deutschland schrumpft. Seitdem die FDP auf Bundesebene nicht mehr regiert, wird die Mittelschicht dünner und „oben“ und „unten“ breiter. Die Mittelschicht machte zu unseren Regierungszeiten etwa 64 Prozent der Bevölkerung aus, jetzt sind es noch 54 Prozent. Das sind 5 Millionen Menschen, die in den letzten Jahren aus dieser Mittelschicht herausgerutscht sind, Wenn Liberale nicht regieren, erodiert die Mittelschicht. Wenn die Mitte schrumpft, wächst die Ungerechtigkeit. Es ist die Mittelschicht, die das Land trägt.

Diese negative Entwicklung ist nicht zwangsläufig, sondern das Ergebnis von Politik. Wer den Bürgern die Früchte des Aufschwungs durch eine maßlose Steuer- und Abgabenerhöhungspolitik nimmt, darf sich nicht wundern, wenn die große Mehrheit unseres Volkes fragt: Wo bleibt mein Aufschwung? Deswegen ist unser Programm, dass sich Leistung lohnen muss und dass soziale Gerechtigkeit der Leistungsgerechtigkeit folgt, weit mehr als Technik. Unser Programm für mehr Netto vom Brutto ist auch weit mehr als Steuerpolitik. Es ist ein Gebot der gesellschaftlichen Fairness, dass die Lasten für diejenigen, die in unserem Land den Karren ziehen, nicht immer schwerer gemacht werden.

Bildungsstudien zeigen, in keinem vergleichbaren Land entscheidet die soziale Herkunft stärker darüber, welche Bildungschancen ein junger Mensch hat als in Deutschland. Deutschland fällt zurück hinter die Zeit, in der wir Liberale Bildung als Bürgerrecht durchgesetzt haben. Bildung für alle ist die Voraussetzung für Wohlstand für alle. Wir brauchen deswegen keine Bildungspolitik, die mit Einheitsschulen alle Jugendlichen über einen Kamm schert, sondern maßgeschneiderte Bildungsangebote, in der sich unterschiedliche Persönlichkeiten auch gut entwickeln können. Gleichzeitig ist unser Bildungssystem nicht durchlässig genug. Es muss jedem jungen Menschen möglich sein, sich mit eigener Anstrengung den Erfolg zu erarbeiten. Nicht Ergebnisgleichheit am Ziel, sondern Chancengleichheit am Start ist das Markenzeichen unserer liberalen Bildungspolitik. Mit unserer Politik für mehr Bildung, Wissenschaft und Forschung gehen wir diese wahre soziale Schieflage in Deutschland an und eröffnen Perspektiven.

Ich stelle mir allerdings ernsthaft die Frage, warum die Mittelschicht uns dann nicht auch wählt. Vielleicht denkt man in Berlin auch einmal darüber nach, warum wir genau die Menschen, die – hier ist die Analyse ja richtig! – unter der Verantwortung der vier übrigen sozialdemokratischen Parteien immer mehr aus der Mittelschicht abrutschen, nicht erreichen, sie dennoch kein Vertrauen in die FDP besitzen. Es könnte daran liegen, dass Steuersenkungen nicht das einzige ist, was die Menschen interessiert. Und das viele Mitbürger einfach gemerkt haben, dass die ewigen Diskussionen der Chef-Ideologen auf Bundes- und Landesebene zur Bildung ihnen nichts bringen. Es gehört mehr Geld und Freiheit ins Bildungssystem. Letzteres erfordert eine Kommunalisierung der Bildungspolitik, damit den Profi-Politikern, die in den letzten Jahrzehnten das Bildungssystem mutwillig zerstört haben, endlich ihr Spielzeug aus der Hand geschlagen wird. Hierzu vermisse ich mutige und klare Aussagen aus Berlin.

Selten hat das Bundesverfassungsgericht in so kurzer Zeit so häufig und so deutlich festgestellt, dass Regierungspolitik unsere Verfassung verletzt. Wenn Liberale nicht regieren, leiden die Bürgerrechte. Mit unserer Innen- und Rechtspolitik schaffen wir eine vernünftige Balance von Freiheit und Sicherheit.

Und wenn wir regieren, leiden die Bürgerrechte leider auch. Wo sind die klaren Worte gegen den Überwachungsminister Ingo Wolf von der nordrhein-westfälischen FDP? Wo ist der Aufschrei der Parteibasis und die Abberufung eines FDP-Ministers, den erst Parteifreunde wenn schon nicht zur Vernunft dann wenigstens zur Rücknahme klagen müssen? In der Sache ist die Aussage richtig: schwarz und rot, bis vor kurzem mit grüner Unterstützung zersetzen den Rechtsstaat und die Verfassung. Wäre schön gewesen, wenn wir wenigstens glaubhaft hätten beteuern können: Ohne uns!

In der Wirtschafts- und Steuerpolitik, in der Familien-, Sozial- und Bildungspolitik, in der Umwelt- und Energiepolitik, in der Innen- und Rechtspolitik und nicht zu vergessen in der Außen- und Europapolitik haben wir auf unseren Bundesparteitagen unser liberales Programm formuliert. Die geistige Grundlage für unsere Arbeit ist das Prinzip Freiheit zur Verantwortung. Manche behaupten, den Liberalen ginge es um Freiheit von Verantwortung. Diese haben den Liberalismus nicht verstanden.

Vielleicht haben wir auch einfach nicht klar genug formuliert. Liberalismus bedeutet nicht das Unterpflügen der Schwächsten. Völlig richtig. Aber viele sehen in der FPD eine sozialdarwinistische Partei – zu Unrecht. Aber als Folge auch des Auftretens unseres Spitzenpersonals. Gerade der Sender einer Nachricht besitzt eine Herausragende Verantwortung dafür, wie sie vom Empfänger verstanden wird. Und da gibt es neben der Sachebene noch andere Aspekte. Könnte man auch einmal dran arbeiten.

Wir Freien Demokraten haben mit unserem Programm, unserer Glaubwürdigkeit und unserer Geschlossenheit in den letzten Jahren großartige Wahlerfolge erringen können. Wir wurden wieder zur dritten Kraft, nicht nur im Bundestag, sondern auch was die Zahl unserer Fraktionen in den Landtagen und unsere Vertretungen in den Landesregierungen betrifft. Diesen Weg werden wir fortsetzen, ausdrücklich mit dem Ziel, Regierungsverantwortung für Deutschland zu übernehmen, damit unser Staatsschiff wieder in Richtung Freiheit zur Verantwortung gelenkt wird.

Okay. Glück auf.

Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien eine angenehme und erholsame Osterzeit und freue mich auf viele persönliche Begegnungen.

Das wünsche ich Ihnen ganz persönlich auch, Herr Westerwelle, und freue mich auf unsere nächste Begegnung.

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