Wie es scheint, werden zur Wahl des Bundespräsidenten Ende Juni zwei wirklich gute Kandidaten antreten. Für CDU und FDP wird Christian Wulff antreten, der Kandidat von SPD und Grünen wird Joachim Gauck sein. Während der Vorschlag der Regierungsparteien zumindest einigermaßen überraschend war, muss man anerkennen, dass die Nominierung von Rot-Grün ziemlich brilliant ist.
Diese Brillianz begründet sich nicht nur in der Tatsache, dass Joachim Gauck ein überaus veritabler Bewerber für dieses Amt ist. Sie äußert sich vielmehr darin, dass SPD und Grüne – auch aus parteitaktischen Gründen – das Optimum aus der Situation herausgeholt haben. Zum einen haben sie sich nach den schlechten Erfahrungen in Nordrhein-Westfalen auf einfache Weise klar von den Linken abgegrenzt, indem ihre Nominierung in der Gesellschaft auf eine breite Zustimmung stoßen wird und die Linke als Partei zurücklässt, die – weil sie ihn als ehemaligen Leiter der Gauck-Behörde nicht akzeptieren kann – außerhalb des Spektrums der demokratischen Parteien steht.Der zweite taktische Schachzug war, dass Joachim Gauck auch für den größten Teil der Union und der Liberalen ein gut wählbarer Kandidat ist, ja selbst sogar einmal als Kandidat der CSU gegen Johannes Rau im Gespräch gewesen ist. Bereits damals wäre er übrigens der deutlich bessere Bundespräsident gewesen. So könnte der eine oder andere Vertreter der Koalitionsparteien in der Bundesversammlung gar versucht sein, ihm seine Stimme zu geben. SPD und Grüne demonstrieren damit, dass sie – im Gegensatz zu CDU und FDP – in der Lage sind, einen für alle demokratischen Parteien konsensfähigen Kandidaten zu präsentieren. Damit wird geschickt der Eindruck erweckt, die Koalitionsparteien trieben Parteipolitik, während man selbst hehre Ziele verfolgt.
Und schließlich finde ich drittens, dass Joachim Gauck einfach der bessere von zwei guten Kandidaten ist. Er ist politisch, ohne parteipolitisch gebunden zu sein. Er hat bewiesen, dass er unter schwierigen Bedingungen den Rücken gerade halten kann. Er ist ein Freund klarer Worte, konfliktfähig ohne zu spalten. Und er ist – Entschuldigung, Herr Wulff! – eine echte Type.
Alles das spräche für eine Wahl von Joachim Gauck. Aber vermutlich wird es dazu nicht kommen. Denn zu offenkundig sind auf der anderen Seite die Bestrebungen von SPD und Grünen, nicht nur einen Kandidaten zu präsentieren, der gut und integrativ ist. Sie wollen vielmehr diese Integration gar nicht primär. Ihr eigentliches Ziel ist es, die Koalition vorzuführen, einen Spaltpilz hineinzutreiben. Das ist nicht verwerflich, denn auch die Bundespräsidentenwahl ist eine Wahl und gehört zu politischen Geschäft. Die Bürger sehen das in der Regel nicht so gern, aber so ist es nun einmal. Es kommt darauf an, wen man präsentiert, wann und wie man das macht. Da hat der demokratische Teil der Opposition gut vorgelegt. Es wird wohl nur nicht reichen.Die Versuche, den Rücktritt von Horst Köhler zum Anfang vom Ende der christlich-liberalen Koalition zu erkären, waren ebenso bemüht wie inhaltlich unbegründet. Die Wahl von Joachim Gauck mit Stimmen von Vertretern aus der Koalition wäre aber wohl das Ende von Schwarz-Gelb. Deshalb ist es sehr unwahrscheinlich, dass der bessere von zwei guten Kandidaten gewinnt. Union und Liberale werden ihren Vertretern in der Bundesversammlung deutlich machen, dass die Wahl von Joachim Gauck das bereits beschädigte Vertrauen innerhalb der Koalition endgültig zerstören würde. Die Wahl wird wohl deshalb mit einer sehr disziplinierten Stimmabgabe enden.
Der neue Bundespräsident wird mit größter Wahrscheinlichkeit Christian Wulff werden. Das ist auch in Ordnung, denn er ist – wie schon beschrieben – ebenfalls ein guter Kandidat. Bei Wahlen gewinnt eben nicht immer der Beste, sondern derjenige, der die meisten Stimmen erhält. Ich traue Christian Wulff zu, nach einem sehr schwachen (Rau) und einem schwachen (Köhler) Bundespräsidenten dem Amt den Glanz zurückzugeben, der ihm unter Richard von Weizsäcker und Roman Herzog noch innewohnte. Er hat mit seiner ruhigen Art die Chance, die Menschen mitzunehmen und integrativ zu wirken. Und Christian Wulff wird an diesem Amt wachsen wie andere vor ihm.
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