Okt 112010
 

Heute habe ich meinen zweiten Artikel im Landesblog veröffentlicht. Nachfolgend habe ich ihn aufgeführt. Die Kommentare sind hier im Blog gesperrt, weil sie zum Originalartikel gehören.


Im ersten Teil habe ich versucht, die Situation vor der geplanten Änderung des Schulgesetzes zu beleuchten. Dieser Teil soll nun aufzeigen, was das geänderte Schulgesetz neu regelt. Im dritten und letzten Teil werde ich dann den Versuch einer Bewertung vornehmen.

Die durch die Landesregierung angestrebten Änderungen waren am vergangenen Mittwoch Gegenstand der Debatte im Landtag. Neben dem Entwurf der Landesregierung lagen dem Landtag zwei Anträge der Grünen und einer der Linkspartei vor. Das Plenarprotokoll der Landtagssitzung liegt zurzeit leider noch nicht vor. Die Redebeiträge der Fraktionen gemäß Pressemitteilung habe ich der Linkliste am Ende des Artikels angehängt.
Wer die angestrebten Änderungen der Landesregierung im Detail begutachten möchte, sei auf eine Synopse von altem Schulgesetz und Gesetzentwurf verwiesen. Dieser Artikel wird nicht auf alle Änderungen eingehen, sondern sich auf die aus Sicht des Autors wesentlichen Aspekte konzentrieren. Die Änderungen, die sich auf berufsbildende Schulen beziehen, sind generell nicht Gegenstand dieses Artikels.

Eine weitere Zusammenfassung der durch den Entwurf zu ändernden Punkte liefert die Landesregierung Schleswig-Holstein, ebenso wie die Beantwortung häufig gestellter Fragen (FAQ).


Nachfolgend sind in den Zitaten zur Erhöhung der Lesbarkeit Texte des Entwurfes in blau, die des bestehenden Schulgesetzes in grün dargestellt. Zitate, die in beiden Texten identisch sind, sind schwarz.

Integration und Inklusion

Der neue Entwurf führt in den „Bildungs- und Erziehungszielen“ (§ 4) nun die Inklusion explizit auf. Mit neu eingefügtem Satz heißt es nun dort: „Das Ziel einer inklusiven Beschulung steht dabei im Vordergrund.

Das alte Schulgesetz nahm weiterhin bei den „Formen des Unterrichts“ (§ 5) ausschließlich Bezug auf Kinder mit besonderem Förderbedarf und forderte die gemeinsame Beschulung auch für diese Kinder. Dieses wird vom neuen Entwurf so belassen, allerdings erweitert um einen Absatz, der sich mit der Situation hochbegabter Schüler befasst: „Die besonderen Belange hochbegabter Schülerinnen und Schüler sind im Unterricht zu berücksichtigen, soweit es die organisatorischen, personellen und sächlichen Möglichkeiten erlauben.“ Die Einschränkungen am Satzende sind dieselben, die das bestehende Schulgesetz auch für die gemeinsame Beschulung von Kindern mit Förderbedarf vorsieht.

Schrägversetzung

Während das alte Schulgesetz hinsichtlich der „Schularten“ (§ 9) lediglich vorsah, dass Schüler nach Abschluss der Orientierungsstufe auf die Regionalschule schrägversetzt werden konnten, „wenn die Leistungen den Anforderungen des Gymnasiums nicht genügen„, so sieht der neue Entwurf auch die Möglichkeit einer Überweisung an die Gemeinschaftsschule vor.

Verpflichtende Zwischenabschlüsse

Im bisherigen Schulgesetz ist zur „Dauer des Schulbesuchs“ (§ 18) vorgesehen, dass Schüler an Gymnasien und Gemeinschaftsschulen zum Erwerb des Realschulabschlusses und die der Regionalschule zur Erlangung des Hauptschulabschlusses mittels Prüfung verpflichtet werden können, auch wenn sie an ihrer Schule eine darüber hinausgehenden Schulabschluss anstreben. Als Begründung wird die „Vermeidung der Beendigung von Schulverhältnissen ohne Schulabschluss“ angeführt.

Diese Regelung soll für das „Gymnasium“ (§ 44) künftig entfallen. Hier sieht der neue Entwurf vor, dass mit Versetzung in die Klassenstufe 10 der Hauptschul- und mit der in die Klassenstufe 11 der Realschulabschluss erworben ist.

Für „Regionalschule“ (§ 42) und „Gemeinschaftsschule“ (§ 43) wird künftig festgelegt, dass mit der Versetzung in die Klassenstufe 10 automatisch der Hauptschulabschluss erworben ist, die Schüler allerdings aufgrund ihres Leistungsstandes zur Teilnahme an einer Prüfung verpflichtet werden können.

Örtlich zuständige Schulen

Bisher waren als „Zuständige Schule“ (§ 24) namentlich Grund- oder Regionalschule sowie Gymnasium und Förderzentrum aufgeführt. Diese Einschränkung findet sich im neuen Entwurf nun nicht mehr, vielmehr wird hier ausschließlich die „zuständige Schule“ als Begriff verwendet. Damit kann auch die Gemeinschaftsschule zur zuständigen Schule werden.

Für Schularten, die der Schulträger in seinem Gebiet nicht anbietet, soll er künftig in Abstimmung mit anderen Schulträgern eine zuständige Schule in deren Gebiet bestimmen können.

Stellt die Schulaufsichtsbehörde fest, dass die Zahl der Anmeldungen für eine bestimmte Schule deren vorhandene Kapazität überschreiten könnte, wird die Behörde künftig die Möglichkeit erhalten, in Abstimmung mit dem Schulträger einen Zuständigkeitsbereich für diese Schule festzulegen. Darüber hinaus sieht der neue Entwurf explizit vor, dass die Schulaufsichtsbehörde zum „Zwecke der angemessenen Nutzung vorhandener Schulen“ Schüler einer bestimmten Schule zuweisen darf.

Binnen- und Außendifferenzierung

Der Entwurf des neuen Schulgesetzes lässt den Schulen mehr Freiheiten bezüglich der Umsetzung der Differenzierung zwischen den Schülern verschiedener Leistungsfähigkeit.

Für die „Regionalschule“ (§ 42) heißt es dort: „Den unterschiedlichen Leistungsmöglichkeiten der Schülerinnen und Schüler kann sowohl durch Unterricht in binnendifferenzierender Form als auch durch Unterricht in nach Leistungsfähigkeit und Neigung der Schülerinnen und Schüler differenzierten Lerngruppen sowie in abschlussbezogenen Klassenverbänden entsprochen werden.“ Bisher hieß es: „Ab Jahrgangsstufe sieben beginnt eine auf Leistungsentwicklung und Abschlüsse bezogene Differenzierung.

Auch für die „Gemeinschaftsschule“ (§ 43) finden sich vergleichbare Regelungen. Hieß es bisher „In der Gemeinschaftsschule findet der Unterricht grundsätzlich für alle Schülerinnen und Schüler gemeinsam statt, wobei den unterschiedlichen Leistungsmöglichkeiten der Schülerinnen und Schüler vor allem durch Formen binnendifferenzierenden Unterrichts entsprochen wird.„, so strebt die Landesregierung die folgende Regelung an: „Den unterschiedlichen Leistungsmöglichkeiten der Schülerinnen und Schüler kann sowohl durch Unterricht in binnendifferenzierender Form als auch durch Unterricht in nach Leistungsfähigkeit und Neigung der Schülerinnen und Schüler differenzierten Lerngruppen sowie in abschlussbezogenen Klassenverbänden entsprochen werden.

Einrichtung von Gemeinschaftsschulen

Nach bisheriger Regelung wurde eine „Gemeinschaftsschule“ (§ 43) auf Antrag des Schulträgers in Verbindung oder Änderung bisheriger Schularten auf Grundlage eines durch die Schule zu erarbeitenden pädagogischen Konzepts geschaffen. Dieses Verfahren wird mit dem neuen Entwurf nicht grundlegend geändert, allerdings präziser und – so kann man es zumindest verstehen – restriktiver geregelt. So heißt es künftig unter anderem: „Die Genehmigung kann insbesondere dann versagt werden, wenn die Änderung zusätzlichen Sach- oder Raumbedarf verursacht.

Auch hinsichtlich der gymnasialen Oberstufe finden sich im neuen Gesetzentwurf Einschränkungen. So hieß es bisher lediglich: „Die Gemeinschaftsschule kann eine gymnasiale Oberstufe entsprechend § 44 Abs. 3 haben.“ Im Entwurf der Landesregierung wird nun wie folgt formuliert: „Die Gemeinschaftsschule kann eine gymnasiale Oberstufe entsprechend § 44 Abs. 4 haben, soweit nach § 59 Satz 2 in Verbindung mit § 58 Abs. 2 hierfür ein öffentliches Bedürfnis besteht, das nicht durch Aufnahmemöglichkeiten an der Oberstufe einer anderen Schule gedeckt werden kann.

G8 und G9

Nach Vorstellung der Landesregierung soll das „Gymnasium“ (§ 44) künftig entweder in acht (G8) oder neun Schuljahren (G9) durchlaufen werden können: „Das Gymnasium umfasst acht Schulleistungsjahre in fünf Jahrgangsstufen (achtjähriger Bildungsgang) oder neun Schulleistungsjahre in sechs Jahrgangstufen (neunjähriger Bildungsgang) zuzüglich einer sich jeweils anschließenden dreijährigen Oberstufe.“ Die Entscheidung über die Anzahl der Schuljahre wird dabei an der Schule selbst getroffen, wobei sich das Bildungsministerium eine Kontroll- und Steuerungsfunktion vorbehält: „Die Schulleiterin oder der Schulleiter beschließt im Einvernehmen mit der Schulkonferenz und dem Schulträger, ob an der Schule ein acht- oder ein neunjähriger Bildungsgang oder beide Bildungsgänge angeboten werden. Der Beschluss bedarf der Genehmigung des für Bildung zuständigen Ministeriums. Sieht der Beschluss vor, beide Bildungsgänge an der Schule anzubieten, unterliegt der Genehmigung auch die Anzahl der Lerngruppen, die bei Aufnahme der Schülerinnen und Schüler in die Jahrgangsstufe fünf für jeden Bildungsgang gebildet werden. Kann ein Einvernehmen nach Satz 1 nicht hergestellt werden, entscheidet das für Bildung zuständige Ministerium über das Angebot der Schule und die Anzahl der Lerngruppen. Es kann eine Änderung des Angebotes der Schule insbesondere dann versagen, wenn diese zusätzlichen Sach- oder Raumbedarf verursacht. Es kann durch Verordnung die Mindestgröße der Lerngruppen je Bildungsgang festlegen, soweit an einem Gymnasium beide Bildungsgänge angeboten werden.

Halligschulen

Das alte Schulgesetz hat die Besonderheiten der Beschulung durch Kleinstschulen auf den Halligen der Westküste nicht gesondert adressiert. Nach dem Willen der Landesregierung soll für „Halligschulen“ (§ 46) künftig die folgende Regelung greifen: „Auf den Halligen werden in eigenständigen Unterrichtseinrichtungen schulpflichtige Kinder in einer Lerngruppe bis zur Jahrgangsstufe neun unterrichtet (Halligschulen). […] Die für die Grundschule und die Regionalschule geltenden Bestimmungen dieses Gesetzes und der Verordnungen nach § 126 Abs. 2 finden entsprechende Anwendung. Eine Halligschule ist zur Durchführung von Prüfungen und der Erteilung von Abschlüssen berechtigt, soweit durch die Beteiligung einer weiterführenden allgemeinbildenden Schule an der Unterrichtsgestaltung und dem Prüfungsverfahren der Bildungsauftrag der Regionalschule erfüllt werden kann.

Schullastenausgleich / Schulsozialarbeit

Bisher wurden „Schulkostenbeiträge“ (§ 111) zentral vom Land und ohne Berücksichtigung der spezifischen Kostensituation des Schulträgers vor Ort festgelegt: „Die Schulkostenbeiträge werden vom für Bildung zuständigen Ministerium für jedes Haushaltsjahr im Voraus getrennt für Grundschulen, Regionalschulen, Gymnasien, Gemeinschaftsschulen sowie für Förderzentren mit den Förderschwerpunkten ‚Lernen‘ und ‚geistige Entwicklung‘ festgelegt.“ Vor allem hieß es unabhängig vom baulichen Zustand der Schulen: „Die Höhe des Investitionskostenanteils beträgt je Schülerin und Schüler 250 Euro.

Demgegenüber möchte die Landesregierung die tatsächlich anfallenden Kosten zur Grundlage der Berechnung machen. So sieht ihr Entwurf die folgende Formulierung vor: „Die Höhe des Schulkostenbeitrages bestimmt sich aufgrund der laufenden Kosten nach § 48 Abs. 1 Nr. 3 und 4 sowie der Investitions- und Verwaltungskosten, die dem Schulträger unter Abzug erzielter Einnahmen umgerechnet auf die einzelne Schülerin und den einzelnen Schüler der jeweiligen Schule entstanden sind. Investitionskosten sind entsprechend den steuerrechtlichen Vorschriften zur Abschreibung von gewerblich genutzten Gebäuden berücksichtigungsfähig. Verwaltungskosten sind die Aufwendungen der Schulträger für Personal- und Sachmittel, die für die Wahrnehmung der Aufgaben nach § 48 erforderlich sind. Ist der Schulträger Träger von mehreren Schulen derselben Schulart, kann er den Schulkostenbeitrag einheitlich für diese Schulen aufgrund der in Satz 2 genannten Kosten festlegen.“ Nicht zu den laufenden Aufgaben gehören nach Interpretation des § 48 durch den Autor auch weiterhin die Ausgaben des Schulträgers für die Schulsozialarbeit.

Nicht über das Schulgesetz geregelte Aspekte aus Teil 1

Folgende Aspekte aus Teil 1 dieser Serie sind nicht über den Entwurf des Schulgesetzes neu geregelt:

Zur Umsetzung des jahrgangsübergreifenden Lernens (JÜL) sieht das Schulgesetz auch bisher für die Grundschule (§ 41) eine Entscheidungsfreiheit für die Umsetzung der Eingangsphase vor: „Die Jahrgangsstufen eins und zwei bilden als Eingangsphase eine pädagogische Einheit; der Besuch kann entsprechend der Lernentwicklung der Schülerin oder des Schülers ein bis drei Schuljahre dauern. Die Schule entscheidet über die Ausgestaltung der Eingangsphase.“ Diese Formulierung wurde im Entwurf der Landesregierung nicht geändert. Unabhängig von der im Schulgesetz formulierten Entscheidungsfreiheit der Schulen schrieb die ehemalige Bildungsministerin Ute Erdsiek-Rave aber den Grundschulen die Einführung von JÜL verpflichtend vor, wie die Antwort der damaligen Landesregierung auf eine kleine Anfrage der FDP-Fraktion aus dem Jahre 2008 zeigt. Diese Verpflichtung besteht nach Aussage von Bildungsminister Dr. Ekkehard Klug nicht mehr: „Für die Eingangsphase gilt nunmehr, dass jahrgangsübergreifender Unterricht im 1. und 2. Schuljahr durchgeführt werden kann, aber nicht mehr zwingend vorgegeben ist. Die Grundschulen können, wenn sie es für richtig halten, im 1. und 2. Jahrgang auch Unterricht in Jahrgangsklassen durchführen.

Die Profiloberstufe wurde zum 1. August 2010 im Rahmen einer Verordnung durch das Bildungsministerium neu geregelt. Dabei wurde sie nach Ansicht der Landesregierung flexibler gestaltet. Eine Rückkehr zum ursprünglichen Kurssystem in der Oberstufe wurde nicht vorgenommen.

Auch die Kontingentstundentafeln sind nicht Gegenstand des Schulgesetzes, sondern werden in Form eines Erlasses geregelt.

Die Behebung der Probleme mit Mängelfächern kann nicht über das Schulgesetz geregelt werden. Die Landesregierung nimmt für sich in Anspruch, diese Problematik über die Einstellung von Seiteneinsteigern zu adressieren. Auch die Beseitigung des Lehrermangels hat sie nach eigener Einschätzung mit der Einstellung neuer Lehrer in Angriff genommen.

Die Regelungen hinsichtlich der Vorgriffsstunden werden über den Pflichtstundenerlass getroffen, sind also ebenfalls nicht Gegenstand des Schulgesetzes. Eine eigenständige Aufarbeitung dieses Themas bleibt dem Leser unter Verweis auf die Pflichtstundenerlasse von 2007/08 und 2010 zu leichten eigenen Übung überlassen.

Die Einführung der Verlässlichen Grundschule ist in Form eines Erlasses geregelt und wird von der geplanten Änderung des Schulgesetzes ebenfalls nicht berührt.

Bei der Finanzierung freier Schulen wird die „Höhe des Zuschusses“ (§ 122) im Rahmen des Schulgesetzes nicht neu geregelt. Sie verbleibt in Höhe von 80 % für allgemein bildende Schulen, basierend auf den Aufwendungen für staatliche Schulen aus dem Jahr 2001, und 100 % für Schulen der dänischen Minderheit, basierend auf den Aufwendungen für staatliche Schulen im Vorjahr. Die viel diskutierte Kürzung der Zuschüsse für die Schulen der dänischen Minderheit von 100 % auf 85 % findet sich in den Empfehlungen der CDU/FDP-HaushaltsStrukturKommission auf Seite 25, Zeilen 789-794.

Schulbauförderung ist ebenfalls nicht Gegenstand des Schulgesetzes. Angesichts der Bestrebungen zur Konsolidierung des Landeshaushalt und der Schuldenbremse ist nicht zu erwarten, dass die jetzige oder künftige Landesregierungen die früheren 30 Mio. Euro wieder dafür werden aufbringen können, die CDU und SPD in ihrer gemeinsamen Regierungszeit gekürzt haben.

Weitere nicht berücksichtigte Aspekte

Darüber hinaus regelt der Entwurf der Landesregierung auch die Möglichkeit der Zurückstellung von Kindern bei der Einschulung in die Grundschule nicht neu. Auch künftig sind alle Kinder mit Erreichung des sechsten Lebensjahres gemäß der Stichtagsregelung zum 30. Juni eines jeden Jahres zum Besuch der Grundschule verpflichtet. Eine Ausnahmeregelung für Kinder, die aufgrund ihres Entwicklungsstandes früher um ein Jahr von der Einschulung zurückgestellt werden konnten, wurde nicht wieder eingeführt.

In Teil 3 dieser kleinen Artikelserie werde ich abschließend eine Bewertung der Situation versuchen. Bis dahin danke ich allen Lesern, die bis hierhin durchgehalten haben…

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