Mit dem Doppelhaushalt 2011/2012 hat die Landesregierung auch die Einführung einer Küstenschutzabgabe so gut wie beschlossen. Die nordfriesische CDU-Abgeordnete Astrid Damerow wurde mit dem Kompromiss zur Zustimmung zum Haushalt bewegt, dass auf die Einführung der Abgabe verzichtet werden könne, wenn es denn gelänge, mit den kommunalen Spitzenverbänden zu vereinbaren, die Geldmittel für den Küstenschutz in Höhe von 4,5 Millionen Euro aus dem kommunalen Finanzausgleich zu entnehmen. Darüber berichtete unter anderem der sh:z am 15. Dezember unter dem Titel: „Sparhaushalt – Parlament entscheidet über Doppelhaushalt„. Weiterhin wird eine Bundesratsinitiative zur alternativen Finanzierung von Küstenschutzmaßnahmen versucht.
Im Artikel von Swen Wacker unter dem Titel „Eine Küstenschutzabgabe ist Unfug“ hatte ich bereits in einem Kommentar auf die Stellungnahme des FDP-Kreisverbandes Nordfriesland verwiesen. Viel spannender allerdings sind die drei(!) Stellungnahmen der dortigen CDU-Gliederung. Grund genug also, die Reaktionen von der nördlichen Westküste noch einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.
Die FDP Nordfriesland reagierte auf die Einführung der Küstenschutzabgabe reichlich verschnupft und mit deutlichen Vorwürfen an die liberale Landtagsfraktion. Ihr Kreisvorsitzender Kurt Eichert verlieh seiner Enttäuschung Ausdruck und beklagte, dass man mit einem eigenen Landtagsabgeordneten besser gegen die „Kapitulation vor Sachzwängen, die nicht erforderlich war“ hätte anarbeiten können. Weiterhin nehme er zur Kenntnis, „dass das politische Kiel sich ein weiteres Mal vom westlichen Landesteil Schleswig-Holsteins abgewendet und sich weiter von ihm abgesetzt“ habe. Dieses Verhalten werde in Nordfriesland bereits seit langer Zeit mit Unmut registriert.
Der FDP-Kreisvorsitzende bezeichnet den gefundenen Kompromiss als „Mogelpackung“ und „Taschenspielertrick“ und weist auf die zunehmenden Probleme hin, sich für die Kieler Politik zu rechtfertigen:
Die nordfriesischen Liberalen sehen sich zunehmend einem Rechtfertigungsdruck ausgesetzt, dem wir an Argumenten nichts entgegensetzen können, weil Landespartei und Landtagsfraktion es nicht für notwendig erachtet haben, sich seit der Haushaltsstrukturkommission im Mai und spätestens auf dem Landesparteitag im November dazu zu erklären. Die Führungsebenen der Koalitionsparteien müssen sich bewusst sein, dass wir in Nordfriesland das fatale Gefühl der Koalitionsverdrossenheit bei den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern auf absehbare Zeit nicht mehr werden auffangen können! Wir setzen alle unseren begrenzten Mittel ein, dem herrschenden Eindruck der Westküstenfeindlichkeit entgegen zu wirken, hier würden die ureigenen Interessen der Westküste verraten. Dieser ist allerdings auch dadurch entstanden, dass die Küstenschutzabgabe ohne Anhörung, Mitwirkung oder auch nur einer ausreichenden frühzeitigen Information der Betroffenen durchgesetzt wurde. Das Land droht damit, dem Ausbluten der Region weiter Vorschub zu leisten.
Besonders die Vorwürfe der „Westküstenfeindlichkeit“ und der Nichtbehandlung des Themas auf dem kürzlich abgehaltenen Landesparteitag in Elmshorn wiegen schwer – ebenso wie der darüber hinaus geäußerte Vorwurf, die Koalition in Kiel habe die Chance zur Umsetzung von „mehr strukturell wirksamen politischen Maßnahmen, wie einem konsequenten staatlichen Aufgabenabbau“ vertan.
Bei der nordfriesischen CDU ist die Faktenlage nicht ganz so eindeutig. Mit gleich drei Pressemitteilungen von unterschiedlichen Akteuren reagierte sie am 16. Dezember auf die Beschlüsse der Landtages. Für den Kreisvorsitzenden und Bundestagsabgeordneten Ingbert Liebing ist ein guter Kompromiss gefunden worden, „weil Alternativen einer landesweiten Finanzierung ernsthaft geprüft werden sollen, ohne den Konsolidierungskurs in Frage zu stellen.“ Er erklärte die Haushaltskonsolidierung zu einer „ Schicksalsfrage des Landes, um eine gute Zukunft gestalten zu können.“ Denn wer wolle, „dass morgen die B 5 gebaut, gute Schulen vorhanden, soziale Infrastruktur gesichert werden sollen, der muss heute genau für diese Aufgaben Vorsorge treffen„. Der Zusammenhang zur Küstenschutzabgabe erschließt sich zumindest dem Autoren aus dieser Argumentation nicht sofort.
Ebenso wie Liebing begrüßt die Landtagsabgeordnete Ursula Sassen die Bemühungen, „die fehlenden Mittel zur Co-Finanzierung der zusätzlichen Bundesmittel für Hochwasser- und Küstenschutzmaßnahmen aufgrund des Klimawandels vollständig solidarisch zu finanzieren und auf eine Abgabe zu verzichten.“ Sie setzt dabei die Hoffnung einerseits auf eine Bundesratsinitiative der Landesregierung, dass künftig Küstenschutzmaßnahmen „von der Ausgleichspflicht befreit werden„. Auf der anderen Seite käme auch eine Finanzierung über den kommunalen Finanzausgleich in Frage. Dementsprechend werde eine Küstenschutzabgabe „nur dann zum Tragen kommen, wenn sich aus den aufgezeigten Alternativen keine finanziellen Mittel rechtsicher und in gleicher Höhe ergeben.“ Im Hinblick auf die Bundesratsinitiative schätzt Sassen die Chancen als eher gering ein. Sie setzt Ihre Hoffnung vielmehr darauf, dass „die kommunale Familie unseres Landes das Opfer bringen wird.“ Diese Hoffnung könnte sich allerdings aufgrund der verheerenden Situation der kommunalen Finanzen in den meisten Städten und Gemeinden sehr schnell als trügerisch erweisen.
Sassens Landtagskollegin Astrid Damerow, die sich lange gegen eine Zustimmung zum Haushalt wehrte, machte in ihrer Presseerklärung noch einmal deutlich, dass für sie der Schutz von Leib, Leben und Eigentum der Menschen an den Küsten und hinter den Deichen zu den elementaren Aufgaben des Staates gehöre. Dieses gelte im Besonderen, wenn verstärkte Küstenschutzmaßnahmen durch den Klimawandel erforderlich würden. Wenn nun infolge der derzeitigen Haushaltssituation die erforderlichen Mittel nicht insgesamt durch Bund und Land aufgebracht werden könnten, so sei ihrer Meinung nach die Solidargemeinschaft gefordert. Ihre Forderungen an die Landesregierung formuliert sie deutlich:
Ich erwarte von der Landesregierung, dass dem Parlament hierzu im Rahmen des angeforderten Berichts geeignete Vorschläge vorgelegt werden, dabei ist der Verzicht auf die Ausgleichspflicht für Küstenschutzaufgaben genauso denkbar, wie eine landesweite kommunale Finanzierung. Vielleicht gibt es aber auch noch ganz andere Lösungsansätze.
Während also die Liberalen in Nordfriesland den gefunden Kompromiss bereits eindeutig als Taschenspielertrick abtun, überwiegt bei den Unionschristen noch in unterschiedlich starker Ausprägung das Prinzip Hoffnung. Es wird sich spätestens bei der kommenden Landtagswahl zeigen, ob die in städtischen Milieus chronisch schwache CDU ihre Stammwählerschaft in den ländlichen Küstenregionen mit dieser Entscheidung für eine Küstenschutzabgabe – so sie denn kommt – nachhaltig verärgert hat. Und natürlich wird sich dabei ebenso herausstellen, ob das optimistische Prinzip Hoffnung der Union oder eine eher skeptische Grundhaltung der FDP in Nordfriesland der Politik in Kiel besser Rechnung trägt.
Dieser Artikel erschien zunächst im Landesblog, weshalb Kommentare bitte ebendort abgegeben werden mögen.
Die Bebilderung des Artikels stammt von Swen Wacker vom Landesblog. Deshalb sind die Bilder dorthin verlinkt.
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