Jetzt lassen wir mal die gesamten „dem Peer seine kleinen Skandälchen“ weg, die uns die Presse so auftischt und überlegen mal, weshalb die SPD den Herrn Steinbrück auf den Kandidatenschild gehoben hat. Böse Zungen würden sagen, weil niemand anderes da war. Da glaube ich aber nicht wirklich. Ich denke, die Idee war vielmehr, dass man mit der Ausstrahlung Steinbrücks in die bürgerliche Mitte dort die Wahl gegen Angela Merkel entscheiden will. Diese Idee ist durchaus nicht dumm.
Das bedingt allerdings auch, dass man dem Kandidaten ermöglicht, sein Image eines wirtschaftlich denkenden Menschen in den Personenkreis hinein wirken zu lassen, der gewohnt ist, sein Geld selbst zu verdienen und grundlegende wirtschaftliche Zusammenhänge begreift. Nun steht die Niedersachsenwahl an, da muss die SPD also dem geneigten Wähler irgend etwas präsentieren. Meine Partei hat sich ja für diesen Fall entschieden, rund um Stuttgart ein denkwürdiges Spektakel aufzuführen. Da dachte sich die SPD wohl, was die Liberalen vergeigen können, das können wir auch – nur anders. Und dann kam halt „Wohnraum für alle!“ – ein Konzept, dass nicht nur in wesentlichen Punkten nicht greift, sondern dazu angetan ist, Mitverfasser Peer Steinbrück im Hinblick auf seine Wirtschaftskompetenz vollständig zu diskreditieren.
Ob die Formulierung „Die SPD will Städte für alle – und nicht nur für eine wohlhabende Minderheit.“ für Peer Steinbrück authentisch wirkt, darüber sollen sich andere das Maul zerreißen. Ich möchte lieber mit einem kleinen Gedankenexperiment auf die drei Kernpunkte des Konzepts eingehen, um die vollständige Abwesenheit von Stärken darin aufzuzeigen.
Stellen wir uns deshalb also vor, wir seien Erben eines kleinen Mietshauses mit – sagen wir einmal – acht Wohnungen. Dieses Miethaus liegt in eine deutschen Mittelstadt, in einigermaßen vernünftiger Lage und ist nicht mehr ganz so dolle in Schuss. Unsere Großeltern haben eben die letzten Jahre ihres langen und glücklichen Lebens vom Wertverzehr der Immobilie gelebt. Wir müssen also etwas am Gebäude machen, möchten es gleichzeitig als Anlage für ein gutes Auskommen in der eigenen Rentenzeit nutzen und sind von Natur aus überhaupt keine bösen Miethaie, sondern ganz umgängliche, nette Menschen, die allerdings auch nichts zu verschenken haben. Wie verhalten wir uns also anhand der von der SPD angedachten Maßnahmen? Schauen wir mal:
Unsoziales Mietrecht stoppen: Mietpreisbegrenzungen soll es nicht nur für Bestands-, sondern auch für Neuvermietungen geben. Bei diesen soll laut dem Konzept „die Miete nicht mehr als 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen“. Die Erhöhung von Bestandsmieten soll auf 15 Prozent in vier Jahren begrenzt werden. Zudem sollen Sanierungskosten zu maximal 9 Prozent pro Jahr auf Mieterinnen und Mieter umgelegt werden dürfen.
Die SPD weist selbst darauf hin, dass die Nachfrage nach Mietwohnungen das Angebot zumeist deutlich übersteigt. Mit der hohen Nachfrage müssten eigentlich auch meine Einnahmemöglichkeiten steigen. Das verbietet die SPD mit allerdings, zum einen mit der Begrenzung der Mieten absolut auf 110% der ortsüblichen Vergleichsmiete und auch mit einer maximal möglichen Steigerung um 3,5 % im Durchschnitt pro Jahr. (Zur Info: Laut Statistischem Bundesamt lag die Inflationsrate 2012 bei rund 2,1 %). Wenn ich jetzt saniere, dann muss ich die Kosten dafür über mehr als 11 Jahre strecken, denn ich darf maximal 9 % der Kosten pro Jahr auf die Miete umlegen. Das hebt die vordem genannten Einschränkungen übrigens wohl nicht auf. Gleichzeitig fallen Kredite und Zinsen sofort an und schmälern meine Einnahmen.
„Was tun?“, sprach Zeus. Interessant erscheinen nun zwei Optionen: Ich saniere nur das Allernötigste, damit das Haus nicht vergammelt, Investitionen, beispielsweise in Wärmedämmung, verkneife ich mir, denn die Heizkosten trägt der Mieter. Dann mache ich bezüglich der Mietpreisentwicklung aufgrund der guten Nachfrage einen ganz akzeptablen Schnitt. Oder aber Alternative 2: Ich besetze freiwerdende Wohnungen nicht neu, renoviere diese hochwertig und führe dort auch umfangreiche Sanierungs- und Wärmedämmungsmaßnahmen durch. Dann verkaufe ich diese stückweise als Eigentumswohnungen, hole mir auf diesem Wege kurzfristig meine Investitionen zurück. Sobald 1-2 Wohnungen übrig sind, kündige ich die auf Eigenbedarf, renoviere die auch und halte die für eine Anstandsfrist, bis ich sie auch verkaufe. So habe ich mein Geld wieder frei für Anlagemöglichkeiten, wo mir der Staat nicht in meine Rendite pfuscht.
Ergo: Variante 1 bedeutet, dass die Qualität der angebotenen Mietwohnungen in der Stadt nicht auf dem bisherigen Niveau bleibt, sondern sinkt. Aufgrund der Nachfrage ist das kein Problem für mich, wohl aber für die Mieter. Variante 2 ist das, was man Gentrifizierung nennt. Dabei werden bisher bezahlbare (Miet-)Wohnungen den bisherigen Bewohnern des Kiezes entzogen und besser verdienenden neuen Eigentümern zugeführt. Sie verschwinden vom Mietwohnungsmarkt, das Angebot wird also knapper.
Maklergebühren – Wer bestellt, zahlt!: Das ungerechte Abwälzen teurer Maklerprovisionen für Mietwohnungen auf Wohnungssuchende kann so nicht weitergehen. Die SPD-Länder wollen sich dafür einsetzen, dass Vermieter die von ihnen beauftragten Makler auch selber bezahlen, nach dem einfachen Grundsatz: Wer bestellt, der bezahlt. „Es kann nicht sein, dass Wohnungseigentümer und Makler ein Geschäft zu Lasten Dritter, nämlich der wohnungssuchenden Mieter, machen“, heißt es in dem Konzept.
Sollte ich in die Not kommen, für meine nachgefragten Wohnungen einen Makler zu benötigen – sei es, um diese bekannt zu machen, sei es, weil ich keine Lust habe, mit 67 Interessenten durch die Wohnung zu tingeln, sei es, weil ich keinen Bock auf die Überprüfungen seiner Angaben und die Abfrage der Schufa-Daten habe –, dann werde ich diesen Makler also künftig selbst bezahlen müssen. Also muss ich sehen, wie die durchschnittliche Vermietungsdauer einer Wohnung ist. Auf diese Dauer rechne ich die Maklergebühren um und schlage das auf den Mietpreis auf. Wenn das aufgrund der oben genannten Rahmenbedingungen nicht möglich ist, muss ich diese Summe entweder bei den Investitionen einsparen (siehe Variante 1 von oben) oder ich bin noch motivierter, eine Lösung nach Variante 2 von oben zu finden. Alternativ – Variante 3 – warte ich einfach ab, weil mir der Makler zu teuer ist. Dann steht die Wohnung halt eine gewisse Zeit leer. Folglich stehen dem Mietwohnungsmarkt meiner Stadt in Summe weniger Wohnungen zur Verfügung. Irgendwann wird sich für mich schon jemand finden.
Wohnungs- und Städtebau fördern: Die SPD will „die von der Bundesregierung zusammengestrichene Städtebauförderung mit 700 Millionen Euro wieder verlässlich ausstatten.“ Zudem setzt sie sich in Bund und Ländern dafür ein, die jährlichen Mittel für soziale Wohnraumförderung auf dem derzeitigen Niveau in Höhe von 518 Millionen Euro bis 2019 beizubehalten.
Das ist eine Lösung, die durchaus neuen Wohnraum schaffen kann, aber keinen Einfluss auf das bestehende Angebot besitzt. Sie ist nicht einmal grundsätzlich abzulehnen oder falsch. Man darf sich bloß fragen, weshalb sehr viele Städte in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten den größten Teil oder gar alle der Wohnungen in ihrem Eigentum abgestoßen haben. Es könnte vielleicht daran liegen, dass sie kein Geld mehr für Unterhalt und Betrieb besaßen, weil auch für die Städte die normalen Gesetze der Wirtschaftlichkeit gelten. In einer Zeit, in der Bund, Länder sowie Städte und Gemeinden gegen die Überschuldung kämpfen und mit Haushaltskonsolidierung ringen, möchte die SPD des ehemaligen Finanzministers(!) Peer Steinbrück also 700 Millionen raustun.
Angesichts der Summen, die im Moment für die Euro-„Rettung“ rausgehauen werden sind das in der Tat Peanuts. Aber auch die müssen irgendwo herkommen. Man könnte sie also beispielsweise von Menschen holen, die Vermögen haben – beispielsweise über Immobilien verfügen. Von wem? Von Immobilieneigentümern? Von wem genau? Richtig, von mir! Nun hat man also meine Einnahmemöglichkeiten begrenzt und möchte gleichzeitig mehr Geld von mir. Wie motiviert bin ich also, weiterhin Wohnraum in der Stadt anzubieten oder gar noch durch Ausbau weiteren Wohnraum zu schaffen? Gar nicht, weil sich das für mich nicht rechnet.
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung kommt ohne dieses Gedankenexperiment übrigens annähernd zum selben Ergebnis:
Fürchten sollten gerade Familien mit mittlerem Einkommen auch die SPD-Mietrechtskeule. Bezahlbare Wohnungen schafft die Politik nicht, indem sie Investoren und Vermietern die Aussicht nimmt, mit neuen Wohnungen Gewinn zu erzielen. Das ist ein verlässlicher Weg, um privaten Mietwohnungsbau zu stoppen.
Es wäre der SPD aber wohl gar nicht unrecht, wenn der Staat so eine größere Rolle als Wohnraumbewirtschafter bekäme. Ihr „Konzept gegen Mietsteigerungen“ ist ein Mix aus Subvention und Zwang, zum Schaden des Marktes. Der dadurch entstehende Wohnungsmangel wird die Mitte treffen, die zu viel verdient, um gefördert zu werden, und zu wenig, um der Misere mit Eigentum zu entfliehen. Steinbrück sieht sich gerne als Kandidat, der Wähler weit in der Mitte anspricht. Wenn die Mitte nur ein bisschen rechnen kann, wird daraus nichts werden.
Alles das, was die SPD hier vorhat, ist gut gemeint. Also das Gegenteil von…? Die Antwort bleibt dem Leser als leichte Übung überlassen. Ebenso wie die Antwort auf die Frage, ob der Co-Autor dieses „Konzepts“, Peer Steinbrück, sich und seinem Image als Mensch, der von Wirtschaft etwas versteht, einen Gefallen getan hat. Im Moment läuft’s gerade so gar nicht für ihn.
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