Nov 152013
 

Am kommenden Samstag findet ein Landesparteitag der FDP Schleswig-Holstein in Neumünster statt. Dafür, dass neben Wahlen und Kandidatenaufstellungen zur Europawahl inhaltliche Debatten stattfinden werden, sorgt unter anderem ein Dringlichkeitsantrag von Dr. Bernd Buchholz, Dr. Heiner Garg, Wolfgang Kubicki und Christopher Vogt zur Positionierung der FDP nach dem desaströsen Bundestagsergebnis. Die Positionierung der FDP ist sicherlich zu überprüfen, ob das dringlich auf diesem Parteitag geschehen muss, darüber befindet der Parteitag am Samstag am besten selbst. Constantin Papaspyratos und ich setzen uns in einem Änderungsantrag vielmehr mit dem Inhalt des Antrags auseinander, den wir in einigen Teilen gern geändert hätten. Ich habe nachfolgend einmal den Originalantrag und die von uns gewünschten Löschungen und Ergänzungen zusammengeführt. Die Diskussion wird am Samstag sicherlich spannend werden, da weitere Änderungsanträge vorliegen.


Der Landesparteitag der FDP Schleswig-Holstein möge beschließen:

Liberale Positionsbestimmung

Die schwere Niederlage der FDP bei der Bundestagswahl 2013 erfordert neben einer sorgfältigen Analyse der Ursachen auch eine innerparteiliche Positionsbestimmung und eine organisatorische Neuaufstellung. Dabei geht es nicht um die Suche nach Schuldigen, die Belebung innerparteilicher Lagerkämpfe oder die Diskreditierung zurückliegender Entscheidungen. Es geht vielmehr um ein gemeinsames Verständnis für die Ausrichtung und die Konsequenzen, die nicht nur in personellen Veränderungen münden, sondern die Basis eines Neuanfangs sein sollen, der im Jahr 2017 den Wiedereinzug der FDP in den Deutschen Bundestag ermöglicht.

Selbstkritisch müssen wir feststellen, dass die FDP Erwartungen – insbesondere in der Steuerpolitik – geweckt hat, die sie nicht erfüllte, ja für die sie nicht einmal mit Konsequenz eingetreten oder sichtbar geworden ist. Abrupte Veränderungen in der Regierungspolitik, wie in der Energie- oder Europapolitik, – so richtig sie im Einzelnen gewesen sein mögen – wurden von der FDP nicht initiiert, sondern „mitgemacht“. Eigenständige Initiativen mit liberaler Handschrift wurden kaum sichtbar. Es gelang nicht, die inhaltliche Breite des Liberalismus deutlich zu machen und die Verengung auf Wirtschafts-, Steuer- und Finanzfragen aufzuheben. Mit Positionierungen zu einigen sozialen Herausforderungen entstand darüber hinaus der fatale Eindruck, der FDP seien gewisse Bevölkerungsgruppen gleichgültig. So entstand das Bild einer unsympathischen FDP ohne Gestaltungswillen, die sich noch dazu in einer Abhängigkeit zur Union, quasi als deren „Upgrade“ definierte und als wesentliche Wahlkampfbotschaft die Ablehnung von Forderungen der politischen Konkurrenz betonte.
Eine liberale Handschrift in der Regierungspolitik war allenfalls und rudimentär im Bereich der Bürgerrechte erkennbar. Über die Bereiche der Justizpolitik hinaus hat es die FDP aber versäumt, als Rechtsstaatspartei erkennbar zu sein, deren höchster Grundsatz die individuelle Freiheit ist. Hingegen machen wir seit den 70er Jahren fortlaufend Zugeständnisse an das autoritär-obrigkeitsstaatliche Gleichheitsdenken. Diese Zugeständnisse sind auch die Ursache dafür, dass wir uns nicht trauen, eine Gesellschaft der individuellen Freiheit zu fordern und es als regierungstragende Partei entsprechend unterlassen zu haben, dahingehend zu handeln: Weder in der Wirtschafts- noch der Sozialpolitik war erkennbar, dass die FDP zunächst auf die Eigenverantwortung des selbständigen, selbstbewussten Bürgers setzt und bevormundende, obrigkeitsstaatliche Eingriffe des Staates ablehnt. In der Steuerpolitik scheint sich die Partei erst in der Regierung überhaupt Gedanken über die Erfordernisse der geforderten Steuersenkungen gemacht zu haben, die plötzlich und überraschend nicht mehr erwünscht gewesen sind. Anstrengungen, das Steuerrecht dann wenigstens noch einfacher und gerechter zu gestalten, blieben völlig aus. So entstand das Bild einer FDP ohne Gestaltungswillen, die nicht den Mut hat, sich zu Ihren Überzeugungen zu bekennen und lediglich als Anhängsel der CDU wahrgenommen wurde und deren programmatische Hinwendung zu SPD und Grünen widerstandslos nachvollzog. So verblieb in Ermangelung eigener, liberaler Werte als Wahlkampfbotschaft lediglich die sinnfreie Aussage, dass zur Fortsetzung der Kanzlerschaft Angela Merkels die FDP gewählt werden müsse.

Diese Analyse kann nicht vollständig sein. Sie ist aber wichtig, weil sie die Herausforderung für die Zukunft deutlich macht: Die FDP hat Sympathie, Glaubwürdigkeit und vor allem Vertrauen in ihre politische Gestaltungskraft verloren. Liberalismus ist kein Wohlfühlprogramm, das durch Heilsversprechungen und Ankündigung von Wohltaten zunächst große Sympathie erzeugt. Die FDP sollte deshalb auch nicht darauf setzen, sondern sich wieder auf die liberalen Werte besinnen und diese glaubwürdig vertreten. Erlangt sie dabei politische Verlässlichkeit zurück, kann sie beim Bürger erneut Vertrauen in ihre politische Gestaltungskraft gewinnen. Erforderlich ist deshalb eine grundsätzliche Positionsbestimmung in einigen zentralen Politikfeldern, für deren Eintreten die FDP mit Konsequenz sichtbar wird:

  1. Im Mittelpunkt liberalen Denkens und Handelns steht das Bekenntnis zu Freiheit und Verantwortung jedes einzelnen Menschen. Unser Gestaltungsauftrag ist deshalb eine Politik, die aktiv die Voraussetzungen dafür schafft, dass Menschen selbstbestimmt und eigenverantwortlich leben können.
    Liberalismus betrachtet den Staat mit einer skeptischen Grundhaltung. Wir Liberale suchen die Lösung von Problemen nicht zuerst in staatlicher Regulierung. Denn wir wollen so viel Freiheit wie möglich, aber eben auch so viel Staat wie nötig. Unser politischer Gestaltungsauftrag erschöpft sich deshalb nicht in der Begrenzung staatlicher Aktivitäten bei Steuern, Staatsquote und Bürokratie. Er verlangt auch aktive Politik zur Herstellung von Chancengerechtigkeit, von Aufstiegsmöglichkeiten durch Bildungsangebote, der auf Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit angelegten Umstrukturierung unseres Sozialstaates und der Gestaltung einer Wirtschaftsordnung, die möglichst allen ein wirklich selbstbestimmtes Dasein ermöglicht. aber eben auch einen liberalen Rechtsstaat. Ein liberaler Rechtsstaat ist auf seine Kernaufgaben beschränkt, die er allerdings dann auch erfüllt. Dazu setzt er einen rechtlichen Rahmen, der die individuelle Freiheit eines jeden Menschen in dem Maße schützt und sicherstellt, soweit sie nicht die Freiheit anderer einschränkt. Dazu gehören aus Sicht der FDP in liberaler Tradition das Recht auf körperliche Unversehrtheit, das Recht auf Privateigentum, Vertragsfreiheit, Kapitalverkehrsfreiheit, Gewerbefreiheit, allerdings ebenso die Freiheit von Diskriminierung, die Autonomie der Familie, Religions- und Gewissensfreiheit sowie das Recht auf Privatheit. Individuelle Freiheit bedeutet damit für uns konkret, dass jeder Mensch – solange er nicht in die Freiheit anderer eingreift – eigenständig über seine Lebensführung zu entscheiden hat, ohne dass er sich für sein Handeln rechtfertigen muss. Der Staat darf keine Glücks- und Wohlfahrtsvorstellungen per Gesetz – und das heißt per Zwang – durchsetzen oder fördern. Der Staat hat lediglich dafür zu sorgen, dass die Glücks- und Wohlfahrtsvorstellungen der Menschen friedlich nebeneinander bestehen können. Glücks- und Wohlfahrtsvorstellungen sind ausschließlich individuelle Lebensentwürfe. Es ist hingegen nicht die Aufgabe des Staates, eine ideologische Erziehung der Bürger zu betreiben oder bestimmte Familien- und Lebensformen zu fördern oder zu benachteiligen. Kein Mensch, keine Gruppe, keine noch so demokratisch gewählte Mehrheit und auch kein Staat haben deshalb das Recht, Menschen zu zwingen, auf eine bestimmte Art und Weise glücklich zu sein.

  2. Für Liberale muss es die oberste Aufgabe sein, die Einhaltung rechtsstaatlicher Grundsätze und den Schutz der individuellen Freiheit in allen Politikbereichen anzumahnen, einzuklagen und wiederherzustellen. Die FDP ist die Partei des Rechtsstaats Die FDP ist damit die Partei des liberalen Rechtsstaats, der sich gegen staatliche Willkür und überbordende staatliche Überwachung, aber auch gegen die Einschränkung der Privatsphäre durch die exzessive Datensammlung Privater stellt. Neue technische Möglichkeiten und die Kommunikationsformen der modernen Informationsgesellschaft haben beispielsweise dem Trend zur Überwachung des Einzelnen einen massiven Auftrieb verschafft. Wir Liberale sind nicht bereit, die Privatheit und die Bürgerrechte einem überzogenen Sicherheitsdenken zu opfern. Unser politischer Gestaltungsauftrag kann und darf sich aber nicht darin erschöpfen, Grundrechtsverletzungen zu kritisieren. Es ist Aufgabe des liberalen Rechtsstaats, seine Bürger vor Verletzungen seiner Bürgerrechte zu schützen. Dies gilt grundsätzlich. Gegenüber privaten „Global Playern“ genauso wie gegenüber befreundeten Staaten. Wir stehen auch in digitalen Kommunikationskanälen für Freiheit und Verantwortung und für den Schutz vor ÜÜberwachung. Zugleich werden wir nicht zulassen, dass dadurch rechtsfreie Räume entstehen, die den Regelungen des Rechtsstaats entzogen werden. Dabei werden wir sicherstellen, dass die Prinzipien des Rechtsstaats in allen Bereichen Anwendung finden und durchgesetzt werden. Das gilt auch für die so genannte „virtuelle Welt“ der weltweiten Datenkommunikation.

  3. Liberale wenden sich als Vertreter einer offenen Gesellschaft gegen alle Formen einer unnötigen Bevormundung. Während alle anderen Parteien unter der Vorgabe – teilweise fraglos edler Motive – zeigen, dass „erzieherische“ Steuerungen durch Ge- und Verbote, prohibitive Besteuerung oder massive Subventionierung wesentliche Bestandteile ihrer Politik sind, setzen wir Liberale auf die Befähigung der mündigen Menschen zu verantwortungsbewusster Selbstbestimmung. Wenn wir auch davon überzeugt sind, dass es z.B. für einen wirksamen Umwelt-, Verbraucher- und Jugendschutz angemessener Regelungen bedarf, so wehren wir uns vehement gegen jede übertriebene Politik des „vor sich selbst geschützten Bürgers“, der dadurch letztlich jede Freiheit verliert. Die FDP muss sich den aktuell mehrheitsfähigen, freiheitsfeindlichen Politikentwürfen entgegenstellen. Denn die individuelle Freiheit für die Bürgerinnen und Bürger, die gleiche Freiheit für alle – und damit das gleiche Recht für alle – bleiben dabei ansonsten auf der Strecke. Jeder Eingriff in die Freiheiten des Bürgers muss wohlbegründet und eng beschränkt bleiben. Das gilt insbesondere für die beinahe religiös ausgeprägten Bereiche des so genannten „Klimaschutzes“, der Ernährung und der Ausgestaltung der privaten Lebensentwürfe. Ein freier Bürger ist insbesondere vor dem unberechtigten Anspruch des Staates zu schützen, der Bürger müsse in bestimmten Fällen vor sich selbst geschützt werden.

  4. Die FDP steht für die soziale Marktwirtschafteine marktwirtschaftliche Ordnung. Rechtsstaatlichkeit, Privateigentum, Vertragsfreiheit und Tarifautonomie sind die Grundlagen dieser Wirtschaftsordnung. Ein freier Wettbewerb, der sich möglichst ohne staatliche Eingriffe entfalten kann, ist aus unserer Sicht die beste Basis für die Schaffung von Beschäftigung sowie für einen Sozialstaat, der das sozioökonomische Existenzminimum sicherstellt und damit für Wohlstand für möglichst alle Bürger.

    Ein freier Markt ist allerdings kein Selbstzweck. Denn Freiheit, die auf der Einschränkung der Freiheit anderer beruht, bedarf der Begrenzung. Nicht erst die jüngsten Krisen der Finanzmärkte haben gezeigt, dass Märkte eben nicht immer „alles von selbst regeln“, sondern auch gesamtwirtschaftliche Destabilisierung bewirken können. Einer sozialen Marktwirtschaft sind deshalb staatliche Interventionen nicht fremd, schon um überbordende Machtkonzentration zu verhindern und verbindliche Wettbewerbsregelungen zu formulieren. Wir wollen dabei die Märkte nicht in Ketten legen, sondern nur dort eingreifen, wo Märkte versagen, durch Interventionen volkswirtschaftliche Schäden vermieden werden sollen oder Regelungen helfen, Krisen weniger wahrscheinlich zu machen. In diesem Geiste wollen wir eine marktwirtschaftliche Wirtschaftsordnung weiterentwickeln, die den Fleißigen und nicht den Rücksichtslosen belohnt.
    In keinem anderen Wirtschaftssystem kann der einzelne sich so frei entfalten wie in einer marktwirtschaftlichen Ordnung. Das Recht auf freie Berufswahl, den eigenen Lebensstil und die freie Gestaltung des Familien- und Privatlebens, der Werteentscheidungen und Konsumgewohnheiten sowie des räumlichen Lebensmittelpunktes ist in einer Staatswirtschaft nicht möglich. Weltweit – von Kuba bis Nordkorea – können wir feststellen: Armut ist nicht die Folge von Marktwirtschaft, sondern ihrer Abwesenheit. Wo keine auf Rechtssicherheit und Eigentum bestehende Marktordnung herrscht, dort herrscht Rückständigkeit und Elend.

    Voraussetzung einer marktwirtschaftlichen Ordnung sind freie und offene Märkte ohne Diskriminierung. Durch den gesetzten Rechtsrahmen sichert der Staat dabei, dass keine Freiheit auf Kosten der Einschränkung der Freiheit anderer genutzt wird. Die FDP stellt dabei sicher, dass die marktwirtschaftlichen Prinzipien gewahrt bleiben. Eine Überwälzung von privaten Risiken auf den Steuerzahler, wie sie zurzeit im Bereich der Bankenrettung praktiziert wird, lehnen wir ab. Unternehmen, die aufgrund von Fehleinschätzungen am Markt nicht bestehen können, müssen scheitern können, um Platz für wirtschaftlich gesunde Unternehmen mit sicheren Arbeitsplätzen zu schaffen.

    Im Falle der so genannten „Systemrelevanz“ handelt es sich nicht um „Marktversagen“, sondern um Staats- und Politikversagen: Ursache der die Wirtschafts- und Finanzkrise von 2008 auslösenden Subprime-Kredite waren gesetzliche Vorgaben der US-Regierung, Menschen ohne nötiges Eigenkapital unter Ausschluss einer banküblichen Risikobewertung die Kreditfinanzierung von Eigenheimen zu ermöglichen. In wesentlichem Maße betroffen durch die Krise waren dann Staatsunternehmen wie die US-amerikanischen Hypothekenfinanzierer Fanny Mae und Freddie Mac oder in Deutschland die Landesbanken. Verstärkt wurde die Krise durch eine vornehmlich politisch motivierte Geldpolitik der US-Notenbank Fed. Eine vergleichbare Entwicklung erleben wir aktuell in der Eurozone. Durch das niedrige Zinsniveau wird faktisch Geld von der EZB an die Banken verschenkt. Dieses konnten die Banken in hochverzinste, südeuropäische Staatsanleihen „investieren“. Damit ist die Staatsschuldenkrise im Euroraum verschärft worden. Gleichzeitig können Banken die Risiken dieser „Investitionen“ auf die Steuerzahler überwälzen. Diese Sabotage marktwirtschaftlicher Prinzipien muss eine liberale Politik für die Zukunft ausschließen. Risiko und Haftung müssen wieder zusammengeführt werden. Die ökonomisch und sozialpolitisch verheerenden Zins-Experimente der EZB und die dadurch stimulierten Investitionsblasen müssen perspektivisch durch eine Ablösung des Zentralbank-Monopols beendet werden.

  5. Wir Liberale stehen für eine Zukunft Deutschlands in einem geeinten Europa. Denn die Bestrebungen zur Einigung in Europa waren zunächst Stabilisator für Frieden auf unserem Kontinent, sind heute auch Basis unseres Wohlstands und sichern uns in einer globalisierten Welt eine hörbare und gewichtige Stimme. Wir sind davon überzeugt, dass Europa langfristig auf der Basis einer gemeinsamen Verfassung in einen Bundesstaat der Vereinigten Staaten von Europa geführt werden sollte. Dieser Weg mag noch weit sein, aber er ist das erklärte Gegenmodell zum Rückfall Europas in eine stark national orientierte Kleinstaaterei. Bis zur Realisierung dieser Vision ist es notwendig, die europäischen Institutionen weiter zu demokratisieren und insbesondere die Rechte des Europäischen Parlaments zu stärken. Es bedarf einer klaren Kompetenzabgrenzung und -zuweisung, die auf der europäischen Ebene wirklich nur die zentral zu koordinierenden Fragestellungen belässt und im Sinne einer klaren Subsidiarität den nationalen und regionalen Ebenen klare Verantwortungen zuweist. Auch dadurch werden wir eine überbordende europäische Bürokratisierung zurückdrängen.

    Wir Liberale sind davon überzeugt, dass die Stabilisierung und Erhaltung des Euro als Gemeinschaftswährung nicht nur auf dem Weg zur europäischen Integration von großer Bedeutung, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen für Deutschland und Europa richtig ist. Staatsbankrotte oder das Ausscheiden einzelner Länder aus der Eurozone hätten höchste Risiken der Destabilisierung auch unserer Wirtschaft zur Folge. Wir sehen klare Fortschritte in der Konsolidierung der Krisenländer. Und auch wenn in Griechenland ein weiterer Schuldenschnitt wahrscheinlich ist, stehen wir zur Politik der Euro-Rettung, die wir mit zu verantworten haben. Für die zukünftigen Maßnahmen bleibt aber richtig, dass Reformen in den Mitgliedsstaaten Priorität vor Umschuldungen, und diese Priorität vor europäischer Nothilfe haben müssen. Eine europäische Wachstumspolitik als „Marshallplan“, z.B. mit einem zielgerichteten Ausbau der Ausbildungs- und Verkehrsinfrastruktur und mit dem Instrument der Förderbanken für kleinere und mittlere Unternehmen, würde den Stabilisierungsprozess stärken und beschleunigen.

    Wir Liberale stehen für eine Zukunft Deutschlands in einem freien, geeinten Europa. Denn die Bestrebungen zur Einigung Europas waren zunächst Stabilisator für Frieden auf unserem Kontinent, sind heute Basis unseres Wohlstands und sichern uns in einer globalisierten Welt eine hörbare und gewichtige Stimme. Die Grundlage des Friedens in Europa ist die Freiheit. Die europäische Freiheitsidee ist aus der Vielgestaltigkeit Europas entstanden. Diese Vielgestaltigkeit Europas hat fünf Pfeiler hervorgebracht, die das Europäische Haus tragen:

    • die Ablehnung der Allein- und Fremdherrschaft
    • die Machtbegrenzung und Machtkontrolle
    • die Gewaltenteilung
    • die Idee der individuellen Freiheit und
    • die Herrschaft des Rechts

    Der friedliche Wettbewerb der verschiedenen Nationen in Europa um wirtschaftliche, gesellschaftliche, soziale und kulturelle Fortschritte macht den Reichtum unseres Kontinents aus. Versuche, unterschiedliche Nationen nur in Teilen Europas gegen den Willen der Beteiligten zusammenzuzwingen, haben verheerende blutige Auseinandersetzungen hervorgerufen – sei es beispielsweise in Nordirland oder in Jugoslawien. Deshalb lehnt die FDP die Schaffung eines europäischen Superstaates gegen den Willen der Bevölkerung ab. Voraussetzung dafür wären aus unserer Sicht, erfolgreiche Volksabstimmungen in allen beteiligten Staaten sowie die Schaffung von Austrittsoptionen.

    Ziel der FDP kann ein solcher Superstaat nicht sein. Wir setzen vielmehr auf gesellschaftliche und wirtschaftliche Kooperation zwischen den europäischen Staaten. Aufgabe der Europäischen Union ist es, dafür einen rechtlichen Rahmen zu schaffen und im Sinne der Subsidiarität möglichst viele Entscheidungen national oder regional treffen zu lassen. Die ausufernde Bürokratie und Regelungswut der EU wollen wir zurückdrängen, die demokratischen und rechtsstaatlichen Defizite der EU müssen behoben werden. Dazu gehören die Umsetzung der Gewaltenteilung und damit eine starke Beschneidung der Kompetenzen der EU-Kommission sowie die Stärkung der Parlamentsrechte.

    Die FDP ist davon überzeugt, dass der Euro nicht gegen wirtschaftliche Gesetze stabilisiert und erhalten werden kann. Insbesondere setzen wir uns dafür ein, dass in diesem Zusammenhang Verträge und Gesetze eingehalten werden. Dasselbe gilt für Zusagen, die den Bürgern gemacht wurden. Einer dieser Verträge regelt, dass kein Staat für die Schulden eines anderen Staates einstehen darf. Eine dieser Zusagen war, dass Deutschland nicht für die Risiken der Schuldenpolitik anderer Staaten einstehen wird. Staaten, die innerhalb des rechtlichen Rahmens nicht im Euroraum bestehen können, müssen aus der Währung ausscheiden dürfen. Dabei bedürfen sie unserer Hilfe. Europäische Solidarität bedeutet für uns, dass wir unseren Partnern bei der Bewältigung ihrer Probleme helfen, nicht jedoch, dass wir sie zu unseren machen. Europäische Solidarität bedeutet für uns allerdings auch, dass deutsche Bürger den Bürgern in anderen europäischen Staaten helfen und nicht mit ihrem Geld dafür sorgen, die Folgen einer falschen Risikoabwägung von Großbanken zu übernehmen. Bisher hat die so genannte „Euro-Rettung“ zu Hass und Verachtung zwischen den Bürgern der Geber- und Empfängerstaaten geführt, der friedlichen Einheit Europas mehr geschadet als gedient.

    Für Liberale ist es darüber hinaus nicht inakzeptabel, dass als Mittel der Krisenbewältigung Organisationen geschaffen werden, die demokratischen und rechtsstaatlichen Prinzipien widersprechen. Organisationen, die sich der demokratischen Kontrolle entziehen und sich selbst, ihre Mitarbeiter und ihre Räumlichkeiten durch vollständige Immunität dem Rechtsstaat entziehen, dürfen keine Zustimmung durch die FDP erfahren. Wir stehen für eine demokratische Zukunft Europas, nicht für den Rückfall des Kontinents in autokratische Zeiten.

  6. Für uns Liberale ist es ein Gebot der Humanität, dass wir als Gemeinschaft hilfsbedürftige Menschen materiell unterstützen. Die FDP lässt den Einzelnen zwar in Ruhe, aber sie lässt ihn nicht im Stich: Sie hilft zielgerichtet den Menschen, die wirklich auf staatliche Hilfe angewiesen sind. Das Ziel dieser sozialen Leistungen muss es allerdings sein, je nach Möglichkeit jedem eine neue Perspektive für ein eigenverantwortliches und unabhängiges Leben zu verschaffen. Dauerhafte staatliche Fürsorge bedeutet dauerhafte staatliche Bevormundung. Wir wollen aber keine Abhängigkeiten und Entsolidarisierungen befördern, sondern ein würdevolles gesellschaftliches Miteinander ermöglichen. Im Übrigen ist Sozialpolitik für Liberale keine Almosenpolitik, sondern ein Gebot des Sozialstaatsprinzips des Grundgesetzes.
    Für uns Liberale ist es ein ebenfalls ein Gebot der Rechtsstaatlichkeit, dass wir hilfsbedürftige Menschen materiell und ideell unterstützen. Die FDP lässt den Einzelnen zwar in Ruhe, aber sie lässt ihn nicht im Stich: Sie hilft zielgerichtet den Menschen, die zur Sicherstellung des sozioökonomischen Existenzminimums auf staatliche Hilfe angewiesen sind. Das Ziel dieser sozialen Leistungen muss es auch sein, jedem eine neue Perspektive für ein eigenverantwortliches und unabhängiges Leben zu ermöglichen. Voraussetzung dafür ist, dass jeder Empfänger staatlicher Hilfen im Rahmen der ihm gegebenen Möglichkeiten selbst Verantwortung für seine Situation übernimmt. Auch eine dauerhafte staatliche Fürsorge darf nicht in eine dauerhafte staatliche Bevormundung münden. Wir wollen keine Abhängigkeiten, keine Entsolidarisierungen und auch keine sozialen Stigmatisierungen befördern, sondern ein würdevolles gesellschaftliches Miteinander ermöglichen.

  7. Die Herstellung von Chancengerechtigkeit in der Gesellschaft und die Bereitstellung einer bedarfsgerechten Bildungsinfrastruktur, die für jeden zugänglich ist und jedem Aufstiegschancen bietet, sind für Liberale die Grundlage der Selbstverwirklichungsmöglichkeit jedes Einzelnen. Wir wissen allerdings, dass bisherige Ansätze zur Herstellung der Chancengerechtigkeit nicht dafür sorgen konnten, für Kinder aller sozialen Milieus tatsächlich gleichwertige Startchancen zu gewährleisten. Daran werden wir zur Fortentwicklung unseres Bildungssystems arbeiten müssen. Die FDP setzt auch hier auf das Prinzip der Subsidiarität. Die Bildungseinrichtungen sollen dabei weitgehend eigene Verantwortung in Bezug auf die pädagogischen Konzepte, ihr Personal und die Einwerbung möglicher zusätzlicher Finanzmittel erhalten. Der Staat beschränkt sich dabei hauptsächlich auf die Vorgabe von Bildungszielen. Für alle Bildungseinrichtungen gilt dabei, dass es uns darum geht, selbstständige und verantwortungsbewusste Persönlichkeiten herauszubilden, die nach ihren Talenten gefördert werden. Uns geht es nicht um Gleichmacherei.

    Wir Liberale treten dafür ein, der Forschungs- und Fortschrittsfeindlichkeit in unserem Land zu widerstehen. Wissenschaft und Forschung basieren auf einer freien Weiterentwicklung des Wissens und der Neugierde der Wissenschaftler. Wir können uns nicht leisten, die besten Know-how-Träger ins Ausland abwandern zu sehen, wo sie das erforschen und entwickeln, was bei uns zu erforschen verhindert werden sollte.

Die FDP muss sich in den kommenden Jahren der Diskussion um die gesellschaftlichen Herausforderungen der Zukunft engagiert und aktiv widmen. Sie muss dabei auch neue Antworten auf Fragen diskutieren, die nicht durch die Tagespolitik bestimmt werden. Die Herausforderungen des soziodemographischen Wandels, die Chancen und Risiken steigender Zuwanderung und die Integration der Mitbürger mit Migrationshintergrund, die Wahrnehmung sozialer und ökologischer Verantwortung in einer vernünftigen Balance zu wirtschaftlichen Interessen und Erfordernissen, die Rolle Europas in einer globalisierten Welt: All dies – und viele ungenannte mehr – sind Themenfelder, in denen statische Antworten aus der Vergangenheit keine hinreichenden Lösungen für die Zukunft bieten. Nur in der offenen Diskussion solcher Themenfelder kann die FDP eine intellektuelle Attraktivität erlangen, die Voraussetzung für ihre Wahrnehmbarkeit und die Bindung interessierter Menschen an die Partei ist.

Dazu bedarf es einer offenen und respektvollen Diskussionskultur auf allen Ebenen und der Schaffung von Plattformen für diese inhaltlichen Diskussionen, sowohl in echten Gesprächskreisen, als auch unter Nutzung moderner Kommunikationstechnologien. Die Aufforderung an Andersdenkende, die Partei zu verlassen, gehört dabei nicht zum akzeptierten Umgangston einer liberalen Partei. Produktiver Streit macht die FDP dabei spannend und innovativ. Und sie kann die Liberalen als eine sympathische Partei positionieren, die sich nicht vorrangig mit sich selbst, sondern mit den Problemen und Sorgen der Menschen in unserem Land beschäftigt. Eine FDP, die Souveränität wiedererlangt und die eigenständige Bedeutung einer liberalen Partei für Deutschland untermauert. Die FDP darf sich nicht von einzelnen Gruppen und Interessenvertretern instrumentalisieren lassen, sondern muss die Prinzipien von Recht und Freiheit stets höher stellen als die Belange von Sonderinteressen. Sie muss in jeder Situation glaubwürdig für die Sache der Freiheit streiten – allein so kann sie das Vertrauen und den Rückhalt in der Bevölkerung wiedergewinnen, um eine starke politische Kraft zu sein. Ihr Platz im Parteiensystem ergibt sich aus der Notwendigkeit, sich der Aushöhlung von Bürgerrechten, Marktwirtschaft, Demokratie und Rechtsstaat entgegenzustellen und die Aufhebung von Freiheitsbeschränkungen voranzutreiben. Die FDP muss sich zu einer Partei von Menschen entwickeln, die konsequent liberale Grundsätze im tagespolitischen Geschäft anwenden und umzusetzen sucht, um ein dauerhaftes und glaubwürdiges Alleinstellungsmerkmal zu gewinnen.

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